Von Andrea Staubli, veröffentlicht in: WERTE SchweizBeitrag zur Aufklärung über die Veränderungen in unserer Gesellschaft

Das Epidemiengesetz wird nach wenigen Jahren bereits wieder revidiert. Dabei fallen eindrückliche Übereinstimmungen mit den laufenden Bemühungen der Weltgesundheitsorganisation auf, ein weltweites Pandemieregime zu installieren. Der Freiheit und Souveränität der Schweiz und ihrer Bürgerinnen und Bürger ist das wenig förderlich.

1 Einleitung

Werden wir Menschen immer kränker? Ist nach einer Pandemie vor einer Pandemie? Müssen wir uns und unsere Gesundheit immer mehr und immer besser vom Staat schützen lassen? Bis zu diesem Punkt, an welchem der Staat uns vorschreibt, was wir zu tun, zu unterlassen oder zu essen haben? Oder tragen wir als Einzelperson eine Eigenverantwortung für unseren Lebenswandel und unsere Gesundheit? Nehmen wir unsere Gesundheit selber in die Hand oder delegieren wir diese und die damit zusammenhängenden Entscheide – weil wir gehorsam sind oder weil es einfacher ist – an den Staat? Es scheint eine Art gesetzgeberische Inflation und Regelungswut im Gesundheits- resp. zutreffender wohl im Krankheitswesen stattzufinden, zumindest wenn wir unseren Blick auf das Epidemiengesetz – oder wie der Erlass in voller Länge heisst: auf das Bundesgesetz über die Bekämpfung übertragbarer Krankheiten des Menschen – richten. Und dies scheint symptomatisch zu sein. So umfasste das Epidemiengesetz vom 18.12.1970, in Kraft gesetzt am 1.7.1974, 39 Artikel. Mit Ausnahme des Artikels 10, der eine Massnahmenkompetenz des Bundesrates bei ausserordentlichen Umständen vorsah, lag die Verantwortung zur Bekämpfung übertragbarer Krankheiten bei den Kantonen – ein Lagemodell brauchte es nicht. 2012 wurde das Epidemiengesetz einer Totalrevision unterzogen und auf den 1.1.2016 in Kraft gesetzt. Das heute geltende Gesetz umfasst 88 Artikel (Stand September 2023) und überträgt viele ursprünglich kantonale Kompetenzen auf Bundesebene an den Bundesrat und an das Bundesamt für Gesundheit (BAG). Neben der Einführung eines Drei-Lage-Modells wurde ein besonderes Augenmerk auf die Implementierung der Internationalen Gesundheitsvorschriften (IGV) der Weltgesundheitsorganisation (WHO) von 2005 gelegt. Ein Vertragswerk über 87 Seiten mit 66 Artikeln und 9 Anhängen. Aktuell steht eine Teilrevision des Epidemiengesetzes an. Aber der Reihe nach.

2 Totalrevision Epidemiengesetz 2012

Auf der offiziellen Seite des BAG konnte man sich damals darüber in Kenntnis setzen lassen, dass eine Anpassung des Epidemiengesetzes notwendig geworden sei, um bei neuen Epidemien wie der Lungenkrankheit SARS (2003) oder der pandemischen Grippe H1N1 (2011) besser gewappnet zu sein. Die gesetzlichen Grundlagen würden nicht mehr ausreichen, um die Risiken von neu auftretenden übertragbaren Krankheiten und deren Verbreitung rechtzeitig zu erkennen, die nötigen Vorkehrungen zu treffen und rasch und wirkungsvoll auf die von übertragbaren Krankheiten ausgehenden gesundheitlichen Gefahren zu reagieren. Die Erkennung, Überwachung, Verhütung und Bekämpfung von übertragbaren Krankheiten mit grosser Schadenswirkung für die öffentliche Gesundheit sollten effizienter und wirksamer werden. Bereits damals wurde von nationalen Impfprogrammen, Quarantäne und Veranstaltungsverboten gesprochen. Der Entwurf entspreche zudem den Vorgaben der Internationalen Gesundheitsvorschriften, die in der Schweiz in Kraft seien. Manch eine Leserin und manch ein Leser werden hier bereits erstaunt die Stirn runzeln: Kommen uns solche Phrasen nicht bekannt vor? Zur Erinnerung: Die total revidierten Internationalen Gesundheitsvorschriften wurden an der 58. Weltgesundheitsversammlung der WHO am 23. Mai 2005 angenommen und sind am 15. Juni 2007 für die Schweiz in Kraft getreten. Die IGV sind völkerrechtlich bindende Rechtsregeln. Sie sind durch ihre Annahme für die Schweiz also verbindlich. Dies bestätigte kürzlich auch der Bundesrat auf eine Frage von Nationalrat Roland Büchel (Frage 23.7079): «… seit 2016 berücksichtigt das revidierte Epidemiengesetz die IGV und regelt deren Umsetzung in der Schweiz.»

3 Teilrevision Epidemiengesetz 2023

Nur gerade viereinhalb Jahre nach Inkrafttreten des totalrevidierten Epidemiengesetzes erteilte der Bundesrat im Juni 2020 dem Eidgenössischen Departement des Innern (EDI) bereits wieder den Auftrag, die Arbeiten zur Revision des EpG in Angriff zu nehmen. Diesmal habe sich unter anderem durch die Covid-19-Krise neuer Revisionsbedarf gezeigt. Der Bundesrat möchte deshalb die Rahmenbedingungen für die Bewältigung künftiger Pandemien verbessern. Der Medienmitteilung des Bundesrates vom 29. November 2023 sind unter den Stichworten «Notwendige Optimierungen», «Verstärkte Überwachung» und «Bekämpfung von Antibiotikaresistenzen und nosokomialen Infektionen» die Schwerpunkte der Revision zu entnehmen.

«Notwendige Optimierungen»

Schauen wir uns eine dieser offenbar notwendigen Optimierungen etwas genauer an. Die sogenannte «besondere Lage» (Art. 6 ff. EpG) wird umfassend reguliert. Der Bundesrat stellt die besondere Lage fest, die u.a. dann vorliegt, wenn «die Weltgesundheitsorganisation (WHO) festgestellt hat, dass eine gesundheitliche Notlage von internationaler Tragweite besteht und durch diese in der Schweiz eine besondere Gefährdung der öffentlichen Gesundheit droht». In einer solchen Situation kann der Bundesrat Massnahmen anordnen wie medizinische Überwachung, Quarantäne und Absonderung, Pflicht zu einer ärztlichen Untersuchung oder einer ärztlichen Behandlung, Berufsausübungsverbote, Maskenpflicht, Zertifikate, Lockdowns. Er kann das Gesundheitspersonal verpflichten, Impfungen durchzuführen, sowie Impfungen für bestimmte Bevölkerungsgruppen obligatorisch erklären. Obwohl der Bundesrat weitestgehende Kompetenzen erhält, wird nicht geklärt, wie und wann der Übergang von der normalen zur besonderen Lage resp. von der besonderen zur ausserordentlichen Lage und umgekehrt erfolgt. Die Gefahr von «vorübergehend dauerhaftem Notrecht» steht im Raum. Zur Zeit werden auch die Internationalen Gesundheitsvorschriften umfassend angepasst resp. erweitert. Vergleicht man die in den IGV geplanten Massnahmen mit denjenigen der vorliegenden Revision des Epidemiengesetzes, stellt man eindrückliche Übereinstimmungen fest. Die Frage sei erlaubt, ob hier der Bundesrat praktisch in einem vorauseilenden Gehorsam die erst im Entwurf vorliegenden IGV-Anpassungen bereits in die Teilrevision des EpG einfliessen lässt.

«Verstärkte Überwachung»

Damit diese möglich wird, werden die Digitalisierung vorangetrieben, nationale Informationssysteme installiert sowie ein Abwassermonitoring und die Durchführung der Gensequenzierung eingeführt. Personen aus dem Gesundheitswesen und eine Person, die «krank, krankheitsverdächtig, angesteckt oder ansteckungsverdächtig ist oder Krankheitserreger ausscheidet» (Art. 33 Abs. 2 EpG) werden verpflichtet, Daten und Angaben über andere Personen bis hin zur Intimsphäre zu melden. Es gibt neu ein nationales Informationssystem «Meldungen von übertragbaren Krankheiten», ein nationales Informationssystem «Contact-Tracing» (dieses kennen wir aus dem Covid-19-Gesetz), ein nationales Informationssystem «Einreise» und ein nationales Informationssystem «Genom Analyse». Selbstverständlich dürfen die so erhobenen Daten an ausländische Behörden sowie supranationale und internationale Organisationen (also z.B. an die WHO) bekannt gegeben werden. In einem neuen siebten Abschnitt werden die Impf-, Test- und Genesungsnachweise eingeführt: Die Menschen werden damit verpflichtet – möglicherweise um am gesellschaftlichen Leben weiterhin teilnehmen zu können –, eine Impfung oder ein (negatives) Testergebnis nachzuweisen. Durch welchen Test dies erfolgen soll, wird nicht explizit erwähnt – es sei deshalb an dieser Stelle auf das Urteil des Bundesgerichts 2C_228/2021 E 5.2 vom 23. November 2021 hingewiesen, wonach es «… gar nicht umstritten und übrigens allgemeinnotorisch sei, dass ein positiver PCR Test keine Krankheitsdiagnose und für sich allein wenig aussagekräftig sei».

Es ist allgemein bekannt, dass die mRNA-basierten «Covid-19-Impfstoffe» weder vor einer Infektion noch vor einer Übertragung schützen. Wie wir unsere Genesung resp. unsere Gesundheit nachzuweisen hätten, bleibt das Geheimnis des Gesetzgebers. Es ist folglich mehr als fraglich, was diese verschiedenen Nachweise bezwecken sollen – wenn nicht die Überwachung von Menschen und das Sammeln von Daten.  Auch hier ist gesetzlich sichergestellt, dass das System für die Ausstellung und Überprüfung dieser Nachweise mit entsprechenden ausländischen Systemen verbunden werden kann. Erwähnenswert ist noch, dass es dem Bundesrat ein speziell wichtiges Anliegen ist, dass diese Nachweise fälschungssicher sind.

«Bekämpfung von Antibiotikaresistenzen und nosokomialen Infektionen»

Zuerst eine Begriffsklärung: Von einer nosokomialen Infektion spricht man bei einer Infektion, die im Zuge eines Aufenthalts oder einer Behandlung in einem Krankenhaus oder einer Pflegeeinrichtung auftritt. Der hohe Antibiotikaeinsatz am Ende des 20. Jahrhunderts habe zu einer deutlichen Zunahme von multiresistenten Problemerregern geführt. Diesem Problem und den zunehmend auftretenden Antibiotikaresistenzen will sich der Bund in der Teilrevision EpG ebenfalls annehmen. Und das macht er mit schweizerischer Gründlichkeit: Gemäss einem Faktenblatt des BAG werden «HAI», «StAR» und «NOSO» eingeführt. HAI bezeichnet healthcare-assoziierte Infektionen, StAR ist die nationale Strategie Antibiotikaresistenzen und NOSO die nationale Strategie zur Überwachung, Verhütung und Bekämpfung von healthcare-assoziierten Infektionen. Noch Fragen?

Damit StAR besonders effektiv und effizient ist, haben sich die vier Bundesämter BAG (Bundesamt für Gesundheit), BLV (Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen), BLW (Bundesamt für Landwirtschaft) und BAFU (Bundesamt für Umwelt) zusammengetan und zusammen mit dem Veterinärdienst der Armee die interdisziplinäre Plattform «One Health» gebildet. Damit soll die Zusammenarbeit zwischen der öffentlichen Gesundheit (Stichwort nationale Gesundheitspolitik und Vertretung in gesundheitspolitischen Belangen in internationalen Organisationen), der Tiergesundheit (Stichwort Gesundheit und Wohlbefinden von Mensch und Tier), der Landwirtschaft (Stichwort Ernährungssicherheit) und der Umwelt (Stichwort nachhaltige Nutzung der natürlichen Ressourcen und Erhalt der Vielfalt des Lebens im Sinne von Biodiversität) gestärkt werden. Die gleiche Entwicklung ist auf internationaler Ebene festzustellen, wo die WHO, die FAO (Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen), die WOAH (Weltorganisation für Tiergesundheit) und die UNEP (UNO-Umweltprogramm) unter dem neuen Zauberwort «One Health» weltweit zusammenarbeiten. Und damit kommen wir zu einem weiteren Aspekt der Teilrevision EpG, nämlich der gesetzlichen Verankerung des One-Health-Konzepts. Gemäss Definition des zurzeit noch in Verhandlung stehenden neuen WHO Pandemievertrages ist der One-Health-Ansatz ein «integrierter, vereinheitlichender Ansatz, der darauf abzielt, die Gesundheit von Menschen, Tieren und Ökosystemen nachhaltig auszugleichen und zu optimieren. Dabei wird anerkannt, dass die Gesundheit von Menschen, Haus- und Wildtieren, Pflanzen und der weiteren Umwelt (einschliesslich der Ökosysteme) eng miteinander verbunden und voneinander abhängig sind.» In Art. 5 des Pandemievertrages verpflichten sich die Vertragsstaaten, ein «kohärentes, umfassendes, integriertes und koordiniertes One Health-Konzept für die Pandemieprävention, -vorsorge und -reaktion zu fördern», inklusive der dazugehörigen Massnahmen. Wir finden den Niederschlag dieser Verpflichtung z.B. in den Artikeln 2 und 81a EpG. Wenn wir uns nun vergegenwärtigen, dass der Generaldirektor der WHO beispielsweise eine gesundheitliche Notlage von internationaler Tragweite aufgrund des Klimawandels (One Health) ausruft und der Bundesrat eine besondere Lage gemäss Art. 6 ff. EpG feststellt, schliesst sich der Kreis.

Worüber schweigt sich die Teilrevision EpG aus?

Nicht über die Finanzen. Dazu finden sich (einige) Artikel im Entwurf. Die Umsetzung der vorgesehenen Massnahmen kostet und der Bund und die Kantone (also wir Steuerzahler) bezahlen. So findet man detaillierte Regelungen über die Finanzhilfen an Unternehmen, die aufgrund einer vom Bundesrat ausgerufenen besonderen oder ausserordentlichen Lage «namentlich hinsichtlich ihres Umsatzes erhebliche Einbussen erleiden». Der Bund kann dann «Finanzhilfen ausrichten, um einer drohenden schweren Rezession der gesamten Wirtschaft entgegenzuwirken». Das Kapitel über die Finanzierung wurde praktisch komplett neu geschrieben und von einem Artikel auf neun Artikel ausgebaut. Geregelt werden nun neu die «Kosten für die Versorgung mit wichtigen medizinischen Gütern», die «Kosten für die Abgabe von Impfstoffen», die «Kosten für die Abgabe von Arzneimitteln», die «Kosten für die Abgabe von weiteren wichtigen medizinischen Gütern», die «Übernahme der Kosten von diagnostischen Analysen» und das «Verfahren zur Übernahme der Kosten und Kontrolle». Während der Wortstamm «Krankheit-» über 120 Mal im Gesetz auftaucht, suchen wir Bestimmungen zur Gesundheitsvorsorge allerdings vergebens. Das Konzept der Salutogenese, also wie Gesundheit entsteht resp. bewahrt werden kann und es gar nicht erst zum Entstehen einer Erkrankung kommt, scheint inexistent zu sein. Gesunde Ernährung, Bewegung, Stärkung des Immunsystems sind kein Thema. Hingegen wird mit verstärkter Kontrolle und Überwachung Angst generiert – und Angst macht krank.

Symptomatisch für den Geist der Teilrevision EpG ist der Umstand, dass im gesamten Erlass «Heilmittel» durch «wichtige medizinische Güter» ersetzt wird, und die Komplementärmedizin trotz Verankerung in der Bundesverfassung keine Erwähnung findet. Weshalb stellt man sich nicht die Frage, was es braucht, damit wir eine gesunde Bevölkerung, eine gesunde Gesellschaft haben? Weshalb wird der Selbstverantwortung des einzelnen Menschen keine Bedeutung (mehr) beigemessen? Weshalb wird dem Einzelnen vorgeschrieben, wie er oder sie zu handeln hat? Was noch erlaubt und was verboten ist? Bis zu dem Punkt, an welchem Vater Staat über sein Volk entscheidet und dieses entmündigt? Vielleicht denken Sie jetzt, das sei etwas zu weit hergeholt. Vielleicht haben Sie Recht. Vielleicht ist die vorliegende Revision des EpG aber eben genau ein Puzzlestein in dieser schleichenden und gefährlichen Veränderung, die sich in unserer Gesellschaft vollzieht. Vor unseren Augen, aber nicht für alle gleich sichtbar. Werte wie Freiheit, Selbständigkeit, Sicherheit und Stabilität, werden verwässert und damit geschwächt. Diese Werte finden in der Bundesverfassung ihren Niederschlag. Jeder Einzelne und jedes staatliche Organ haben sich daran auszurichten. Dabei stellen die Grundrechte einen besonders wertvollen Pfeiler unseres Staatsgefüges dar. Sie gewährleisten Rechte, welche den Einzelnen in seiner Freiheitssphäre gegenüber Eingriffen des Staates schützen. Es wäre wünschenswert, dass diese allgemeinen und gleichzeitig grundlegenden Gedanken auch bei einer Revision des Epidemiengesetzes einfliessen. Die Präambel der Bundesverfassung gibt dazu eine wunderbare Orientierungshilfe. Bitte also unbedingt lesen!

Andrea Staubli ist Rechtsanwältin und Mediatorin sowie ehemalige Gerichtspräsidentin. Sie engagiert sich beim Aktionsbündnis freie Schweiz für die Souveränität der Eidgenossenschaft.