Für eine moderne Schweiz: Liberal, demokratisch, sozial
Abstimmung 15. Mai 2022
Empfehlung des Initiativ-Kollegiums

WICHTIGE INFO: Die Farben der Ampel zeigen nicht, ob wir ein JA oder NEIN empfehlen! Die rote Ampel zeigt, dass über eine Frage abgestimmt wird, die im Sinne der Leitgedanken der Fördergesellschaft Demokratie Schweiz keine Rechtsangelegenheit ist. Die Farbe Grün steht für Abstimmungen, in denen es um eine echte Rechtsangelegenheit im Sinne der Leitgedanken der Fördergesellschaft Demokratie Schweiz handelt. Orange bedeuted entweder, dass sich das Initiativ-Kollegium diesbezüglich nicht sicher ist oder dass die Vorlage selber vermischt ist und sowohl berechtigte als auch unberechtigte Fragestellungen enthält. Nur in Bezug auf Rechtsangelegenheiten sind Mehrheitsentscheide und Gesetze sinnvoll und gesund. Bei allen anderen Fragen führen sie in die Un-Demokratie.

Änderung des Filmgesetzes


 

Das neue Gesetz verpflichtet die Streamingdienste künftig 4% des in der Schweiz erzielten Umsatzes in die Schweizer Filmproduktion zu investieren. Weiter müssen die Streamingdienste künftig sicherstellen, dass 30% ihres Angebots aus Filmen besteht, die in Europa produziert wurden.

Der Bundesrat und das Parlament befürwortet dieses Gesetz und schreibt als Begründung im Abstimmungsbüchlein: 

«Die Investitionspflicht sorgt dafür, dass zumindest ein kleiner Teil der hier erzielten Umsätze in der Schweiz bleiben. Damit werden Arbeitsplätze geschaffen und Aufträge generiert. (…). Wenn [auf den internationalen Plattformen] Schweizer Geschichten erzählt werden, profitiert auch der Tourismus». 

Dass Bundesrat und Parlament damit die Konsumenten der Filme entmündigt, die Filmkultur in den Dienst von wirtschaftlichen Interessen stellt und  einen Kulturnationalismus fördert, spielt in ihren Überlegungen leider keine Rolle. 

Wahrscheinlich wird letzteres von vielen nicht einmal bemerkt. Folgende Überlegung kann diesen Sachverhalt jedoch klar machen. Was wäre, wenn man das Gesetz auf den Buchhandel überträgt: «In der Schweiz müssen in den Buchläden künftig 30% des Büchersortiments von europäischen Autoren geschrieben sein»!? 

Hier springt der Kulturnationalismus sofort in das Auge. Beim neuen Gesetz handelt sich jedoch ebenfalls um einen Kulturnationalismus. Die eigene (europäische) Kultur wird über den Staat gefördert und geschützt. Dies führt zu einem unfreien Geistesleben. Ein freies Geistesleben hat sich von den Bedürfnissen der einzelnen Menschen her zu gestalten. Bieten die europäischen Schriftsteller weniger lesenswerte Bücher, so hat sie der Staat nicht zu schützen. Dasselbe muss auch für die Filmproduktion gelten.

Diese Initiative erhält daher die rote Ampel und wir empfehlen klar ein NEIN.

Änderung des Transplatationsgesetz


Das bestehende Transplantationsgesetz legt fest, unter welchen Voraussetzungen menschliche Organe zu Transplantationszwecken verwendet werden dürfen. Es hat den Zweck, eine missbräuchliche Anwendung der Transplantationsmedizin zu verhindern und somit die Menschenwürde, die Persönlichkeit und die Gesund­heit schützen. Eine Organtransplantation berührt die körperliche Integrität des Menschen, die Würde der verstorbenen bzw. noch im Sterbeprozess befindlichen Person und die Pietätsgefühle der Hinterbliebenen. Aus Sicht der Dreigliederung des sozialen Organismus erscheint es sachgerecht, das Schutzbedürfnis des Einzelnen in Bezug auf die Transplantationsmedizin gesetzlich zu regeln und konkret auszugestalten. Es handelt sich um eine Frage des Rechtslebens, eine Frage, die jeder Mensch auf der Grundlage seines Rechtsempfindens beurteilen kann. Die bestehende gesetzliche Ausgestaltung des Schutzrechtes muss grundsätzlich einer Veränderung durch die Rechtsgemeinschaft unterzogen werden können. Gegen eine Abstimmung über eine Änderung des Transplantationsgesetzes sollte daher im Prinzip nichts einzuwenden sein.

Indessen wird mit der Vorlage eine Gesetzesänderung unterbreitet, die einen Eingriff in elementare Grundrechte darstellt. Zwar können auch Grundrechte nicht prinzipiell von einer Änderung ausgenommen sein, jedoch ist es bedenklich, wenn dies auf dem Wege einer schleichenden Aushöhlung geschieht anstelle einer sorgfältigen Güterabwägung.

Das Selbstbestimmungsrecht über den eigenen Körper und das Recht auf körperliche Unversehrtheit bedingt, dass jeder medizinische körperliche Eingriff eine freiwillige, aufgeklärte, ausdrückliche Einwilligung erfordert. Mit der zur Debatte stehenden Einführung der Widerspruchslösung wird dieser Grundsatz für die Entnahme von Organen aufgehoben. Während die Einwilligung bis anhin klar geäussert werden musste, wird in der neuen Gesetzesvorlage das Schweigen, d.h. der fehelende Widerspruch gegen eine Organentnahme als Zustimmung gewertet, was einem Paradigmenwechsel gleichkommt.

Dem Persönlichkeitsrecht der Menschen, welchen Organe entnommen werden, steht das Interesse des Schutzes der Gesundheit der organempfangenden Person gegenüber. Kann zum Schutz von Grundrechten Dritter ein massiver Eingriff in das Selbstbestimmungsrecht über den eigenen Körper gerechtfertigt werden? Darf das Schutzrecht des Einzelnen zugunsten des Gesundheitsnutzens von vielen relativiert werden?

Hinzu kommt, dass die Organentnahme ein massiver Eingriff in den natürlichen Sterbeprozess des Menschen ist. Es ist zwar die Rede von einer Organentnahme nach dem Tod, aber die hier zugrunde gelegte juristische Todesdefinition darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass Organe nicht vor kalten Leichen entnommen werden, sondern vor dem biologischen Tod erfolgen müssen. Es handelt sich um Menschen, deren Hirnfunktion ausgefallen ist, die beatmet werden und deren Herz noch schlägt. Erst nach der Organentnahme tritt der Tod definitiv ein.

Auch wenn es sich bei dieser Abstimmungsvorlage um fundamentale Rechtsfragen handelt, die durch die Rechtsgemeinschaft geregelt werden müssen, ist unseres Erachtens angesichts der Tragweite der Grundrechtseingriffe noch keine hinreichende Entscheidungsreife gegeben. Vor diesem Hintergrund erscheint es angebracht, die Ampel auf Orange zu stellen.  

Übernahme der EU-Verordnung über Europäische Grenz- und Küstenwache


Die Europäische Agentur für die Grenz- und Küstenwache (Frontex) gehört zum Schengen-Sicherheitsverbund, und besteht seit 2004. Die Schweiz beteiligt sich seit 2011 an Frontex, welche die EU-Staaten beim Schutz der EU-Aussengrenzen unterstützt. Der Bundesrat und das Parlament möchten sich am aktuellen Ausbau von Frontex durch die EU finanziell und personell beteiligen. Das Referendum richtet sich nicht nur gegen die Teilnahme an diesen Ausbau, sondern gegen die Frontex insgesamt, weil ihr vom Referendumskomitee vorgeworfen wird, bei der Abwehr von Flüchtlingen an den EU-Aussengrenzen immer wieder deren Menschenrechte zu verletzen, und damit letztendlich deren Recht auf Schutz und Asyl zu missachten und zu verhindern. 

Im dreigegliederten sozialen Organismus ist der Rechtsstaat primär für die Sicherheit zuständig. Insofern von diesem Rechtsstaat «Staatsgrenzen» vorgesehen sind, deren Zweck die Sicherheitskontrolle und damit die Sicherung eines Staatsgebietes sind, fällt die vorliegende Referendumsfrage in diese Zuständigkeit, und ist daher aus dieser Sicht zulässig (grüne Ampel). 

Doch es gibt noch weitere Gesichtspunkte. Die EU ersetzt zunehmend und expandierend die vorherrschenden europäischen Einheitsstaaten (Nationalstaaten) auf höherer, «supranationaler» Ebene. Sie reduziert hierbei die demokratische und rechtsstaatliche Macht dieser Nationalstaaten, indem sie immer mehr Kompetenzen in die EU-Ebene übernimmt, und mutiert dabei vom Staatenbund zum Bundesstaat. Sie verlagert dabei also den Einheitsstaat auf EU-Ebene, und begründet dies damit, dass der «Nationalismus» der Nationalstaaten überwunden werden muss. Der Einheitsstaat aber, die Synthese von Staatsmacht und Wirtschaftsmacht, erfährt dadurch auf höherer EU-Ebene eine gewaltige Potenzierung.

Die EU macht die beschriebene Zentralisierung und innereuropäische Personenfreizügigkeit den Bürgern und Anhängern des nationalistischen Einheitsstaates dadurch schmackhaft, dass sie ihnen verspricht, die aussereuropäische Migration nach Europa bereits an den EU-Aussengrenzen abzufangen, so dass die einzelnen Nationalstaaten sich nicht mehr einzeln und auf nationalistische Weise um dieses Problem kümmern müssen. Daneben aber betreibt die zentralisierte EU eine ausufernde Subventionspolitik, mit welcher sie einerseits die Kollektivierung und Industrialisierung der europäischen Landwirtschaft vorantreibt, welche zur Entvölkerung ganzer Landstriche in Osteuropa geführt hat, und wirft die damit produzierten gewaltigen landwirtschaftlichen Überschüsse, wiederum mittels gewaltiger Subventionen, zu Spottpreisen auf die Märkte von Drittweltstaaten, namentliche Afrika. Damit wiederum zerstört sie die dortigen landwirtschaftlichen Grundlagen, was wiederum entsprechende Migrationsströme nach Europa auslöst. Darüber hinaus betreiben zahlreiche EU-Staaten im Rahmen der NATO und im Verbund mit den USA weltweit Ressourcenkriege, mit welchen sie die dortigen Rohstoffe zugunsten der EU-Wirtschaft plündern, was wiederum Migrationsströme aus den durch diese Kriege zerstörten Ländern auslöst. 

Der Weg zum Stopp der Migrationskrise kann also nicht ein weiterer Ausbau des EU-Grenzregimes sein, sondern nur ein Stopp des EU-Zentralismus, ein Stopp der sowohl neoliberalen wie protektionistischen EU-Wirtschaftspolitik, ein Stopp der Kriegs- und Interventionspolitik der NATO-Staaten, ein genereller Stopp von EU und NATO! Die Menschen aus den Migrations-Ursprungsstaaten haben zunächst ein Recht auf unzerstörte und in Ruhe gelassener Heimat, bevor sie ein Recht auf Anerkennung als Flüchtlinge haben. Dies geht immer wieder vergessen.

Aus dieser Sicht muss also das vorliegende Referendum befürwortet werden. Deshalb empfehlen wir, trotz grüner Ampel: Frontex-Ausbau NEIN!