Für eine moderne Schweiz: Liberal, demokratisch, sozial
Abstimmung 3. März 2024
Empfehlung des Initiativ-Kollegiums

WICHTIGE INFO: Die Farben der Ampel zeigen nicht, ob wir ein JA oder NEIN empfehlen! Die rote Ampel zeigt, dass über eine Frage abgestimmt wird, die im Sinne der Leitgedanken der Fördergesellschaft Demokratie Schweiz keine Rechtsangelegenheit ist. Die Farbe Grün steht für Abstimmungen, in denen es um eine echte Rechtsangelegenheit im Sinne der Leitgedanken der Fördergesellschaft Demokratie Schweiz handelt. Orange bedeuted entweder, dass sich das Initiativ-Kollegium diesbezüglich nicht sicher ist oder dass die Vorlage selber vermischt ist und sowohl berechtigte als auch unberechtigte Fragestellungen enthält. Nur in Bezug auf Rechtsangelegenheiten sind Mehrheitsentscheide und Gesetze sinnvoll und gesund. Bei allen anderen Fragen führen sie in die Un-Demokratie.

Initiative für eine 13. AHV-Rente

&

Renteninitiative


 

Ausgangslage:

Die Schweizerische AHV ist eine umlagefinanzierte Rentenversicherung, der alle in der Schweiz niedergelassenen Personen obligatorisch angeschlossen sind: Die jeweiligen AHV-Beiträge, die den Arbeitnehmern vom Einkommen abgezogen werden (bzw. den übrigen Beitragspflichtigen in Rechnung gestellt werden), werden für die Finanzierung der laufenden Renten der Pensionierten verwendet. Dies bedeutet, dass prinzipiell kein Sparvermögen gebildet werden muss, mit Ausnahme eines gesetzlichen Ausgleichsfonds (Reservepolster) zum Ausgleich von kurzfristen Schwankungen auf der Einnahmeseite infolge der Wirtschaftslage.

Demgegenüber steht die kapitalgedeckte Rentenversicherung der Pensionskassen, der alle in der Schweiz angestellten Arbeitnehmer obligatorisch angeschlossen sind: Die jeweiligen Pensionskassenbeiträge, die den Arbeitnehmern vom Lohn abgezogen, und in gleicher Höhe von den Arbeitgebern ergänzt werden, werden individuell für ein Altersvermögen angespart, das zur Finanzierung der Pensionskassenrenten verwendet wird.

Das Renteneintrittsalter für AHV und Pensionskassen wurde mit der letzten Volksabstimmung zu diesem Thema einheitlich auf 65 Jahre festgelegt.

Perspektive der Dreigliederung

Zwar soll das Wirtschaftsleben aus seiner Produktivität auch für ein angemessenes Einkommen derjenigen Menschen sorgen, die nicht am Arbeitsleben teilnehmen können. Das diesbezügliche Recht auf Lebensunterhalt wird aber durch das Rechtsleben bestimmt.* Indem die Initiative Anspruch auf eine 13. AHV-Rente festlegt, substantiiert sie dieses Recht, weshalb hier die Ampel prinzipiell auf Grün gestellt werden kann. Die Initiative für eine Erhöhung des Rentenalters will die Rechtsstellung der Rentenberechtigten regeln, was wiederum klar Aufgabe des Rechtslebens ist. Auch wenn sie sich nicht nur auf die privatwirtschaftlichen Pensionskassen, sondern auch auf die staatliche AHV auswirkt, kann die Ampel prinzipiell auf Grün gestellt werden.

 

*Wie Kindern das Recht auf Erziehung, so steht Altgewordenen, Invaliden, Witwen, Kranken das Recht auf einen Lebensunterhalt zu, zu dem die Kapitalgrundlage in einer ähnlichen Art dem Kreislauf des sozialen Organismus zufließen muß wie der gekennzeichnete Kapitalbeitrag für die Erziehung der noch nicht selbst Leistungsfähigen. Das Wesentliche bei all diesem ist, daß die Feststellung desjenigen, was ein nicht selbst Verdienender als Einkommen bezieht, nicht aus dem Wirtschaftsleben sich ergeben soll, sondern daß umgekehrt das Wirtschaftsleben abhängig wird von dem, was in dieser Beziehung aus dem Rechtsbewußtsein sich ergibt. – Rudolf Steiner, in Kernpunkte der sozialen Frage. 

 

Inhaltliche Beurteilung

Der Einheitsstaat wird immer komplexer, und damit für das Bewusstsein immer weniger greifbar. Dies ist ganz im Sinne der materialistischen Gegenkräfte, denn so können deren Ziele am Bewusstsein und damit an der freien Willensbildung der Menschen vorbei erreicht werden. Besonders ausgeprägt zeigt sich dieses fundamentale Problem bei den Sozialwerken.

So sind die herrschenden bürgerlichen, privatkapitalistischen Klassen in der Schweiz den sozialen Forderungen der minder privilegierten Klassen schon immer so weit entgegengekommen, wie es zur Vermeidung revolutionärer klassenkämpferischer Umtriebe notwendig war. Eine solche Konzession ist das Sozialwerk der AHV/IV, das zur Verwaltung dem bürgerlichen Staat zugewiesen wurde. Dies ist diesen privatkapitalistischen Kräften umso leichter gefallen, als es für sie an der umlagefinanzierten AHV nichts zu profitieren gab. Die parlamentarische bürgerliche Dominanz hat seither dafür gesorgt, dass der Auftrag der Bundesverfassung (BV Art. 112), wonach die AHV den Existenzbedarf angemessen decken muss, nicht erfüllt wird. Es reicht ein Blick auf die Ausgestaltung der AHV, dass deren Beträge niemals existenzsichernd sind! Stattdessen wurde 1966 ein provisorisches System von Ergänzungsleistungen (EL) eingeführt, das die wirtschaftliche Not von AHV-Rentenbezügern lindern soll. Dies so lange, bis die AHV den Lebensbedarf decken kann. So definitiv also seither die EL geworden sind, so definitiv bleibt die Missachtung des klaren Verfassungsauftrages durch das Parlament.

Darüber hinaus wurde mit einer Reform der EL 2021 der Anspruch auf EL gekürzt. Seit Januar 2024, nach dem Auslaufen von Übergangsbestimmungen, wurden deshalb mehreren Zehntausend EL-Bezüger ihre EL-Renten gekürzt, während die Schweizerische Konferenz für Sozialhilfe (Skos) aufgrund von Hochrechnungen erwartet, dass 8’000 einkommensschwache EL-Berechtigte ihren Anspruch ganz verlieren, zweidrittel davon Pensionierte.

Zum «Kleinhalten» dieses Sozialwerkes gehört auch ein jahrzehntelanges «Schlechtreden» mittels Kampagnen über Politik und Medien: So wird immer wieder behauptet, dass die Finanzierung aufgrund demografischer Probleme nicht gesichert sei, und in diesem Zusammenhang die Solidarität der Rentenfinanzierer mit den Rentenbezügern in der AHV zu einer Umverteilung von Jung zu Alt führe, wobei unterschlagen wird, dass jede Art von Solidarität logischerweise Umverteilung bedeutet. Die Umverteilung via AHV wird von Art. 112 BV gefordert.

Seit Jahrzehnten erweisen sich also alle prognostizierten Berechnungen über die «schon bald» eintreffende «Schieflage» der AHV als immer wieder falsch, was Economiesuisse, Grossunternehmen, Grossbanken und bürgerliche Kräfte nicht davon abbringt, mit Unsummen von Kampagnengeld weiter das baldige Ende der AHV vorherzusagen, wenn nicht endlich finanzpolitische Vernunft einkehrt, und das Rentenalter entsprechend angehoben und die Renten nach Möglichkeit gekürzt werden. So auch jetzt wieder bei der Nein-Kampagne gegen eine 13. AHV-Rente, und bei der Ja-Kampagne für eine Anhebung des Rentenalters.

Es sind diese erwähnten politischen und wirtschaftlichen Kräfte, welche bei einer tatsächlichen Schieflage einer Grossbank wie der UBS im Jahre 2008 von heute auf morgen 60 Milliarden Franken zur Rettung auf den Tisch legen können, obwohl die Schieflage von der UBS selbst verschuldet war, durch eine aggressive Expansionsstrategie in den USA («Hochrisikostrategie»). Die gleiche UBS hat es übrigens ein paar Jahre vorher mit Verweis auf die herrschenden Prinzipien der freien Marktwirtschaft abgelehnt, bei der Rettung der Swissair entscheidend mitzuhelfen… Die Rettung der UBS war begleitet von Schwüren und Versprechen von Staat, Aufsicht, Bank, bürgerlichen Parteien und Presse, dass ein solcher Ausnahmefall nie mehr vorkommen darf und wird, und entsprechende gesetzliche Regelungen zur Abwicklung überschuldeter Grossbanken vorbereitet werden. Fünfzehn Jahre später, 2023, brechen diese Kreise dieses Versprechen, nachdem nunmehr die Credit Suisse (CS) in Schieflage geraten ist: Wieder von heute auf morgen werden jetzt über 200 Milliarden Franken zur Rettung der CS auf den Tisch gelegt. Wobei «Rettung» diesmal bedeutet, dass die CS mit Hilfe des staatlichen Geldes ihrem Konkurrenten UBS massiv unter Wert verkauft wurde.

Begründet wurde diese Art der Bevorzugung von Grossbanken mit deren Systemrelevanz. Unterschlagen wird hierbei immer wieder, wie es zu dieser Systemrelevanz überhaupt kommen konnte: Seit Ende 1980er bzw. Beginn der 1990er Jahre wurde von den erwähnten herrschenden Kreisen eine weltweite Deregulierung des gesamten Finanzsystems durchgesetzt (GB: «Big bang» von Margareth Thatcher; USA: «Washington Consensus» und ähnliche Programme durch die Reagen-Regierungen). Ein wichtiges Ziel dieser Deregulierung war insbesondere die weltweite Aufhebung des Trennbankensystems, womit die eine Banksparte (Einlagegeschäft mit Sparern) für die andere Banksparte (Investmentgeschäft bzw. Risikospekulation) mithaftete. Mit anderen Worten: Seither werden die Sparer von den Banken für ihr Risikogeschäft in Geiselhaft genommen. Diese Geiselhaft wird seither «Systemrelevanz» genannt.

Weiter wurde mit der erwähnten Deregulierung der Eigenhandel der Banken erlaubt, womit diese gegen ihre Kunden investieren und wetten konnten. Kombiniert mit der Geiselhaft führt dies dazu, dass Sparer und Investoren vom Bankensystem fast nach Belieben abgezockt werden können.

Dazu kommt weiter, dass in der Schweiz zu gleicher Zeit ein kapitalgedecktes Pensionskassensystem obligatorisch gemacht wurde, womit dem deregulierten Finanzsystem riesige Summen von Spargeldern aus den Pensionskassen zugeführt werden konnte. Denn hier, mit den kapitalgedeckten Pensionskassen, eröffnete sich ein weiteres Feld des Profites für Anlageberater, Banken, Anlagefonds und überhaupt der ganzen sog. «Finanzindustrie». Und gerade deshalb ist es nicht die umlagefinanzierte AHV, sondern es sind die Pensionskassen, welche notwendigerweise immer wieder in Schieflage geraten müssen, weil diese wie Milchkühe an der Börse und durch beratende Finanzinstitute gemolken werden können, mit der Folge einer riesigen Umverteilung von arm zu reich. Weswegen die Umwandlungs- und Zinssätze der Pensionskassen immer weiter gesenkt werden müssen, und bei jeder Börsenbaisse die Pensionskassen Sanierungsrunden zulasten der Versicherten veranstalten können, womit die nächste Börsenhausse mitfinanziert wird… Hierbei sammeln sich immer grössere sog. freie Reservevermögen an, die nicht mehr einem individuellen Sparer zustehen, was die ganze Entwicklung nur noch schlimmer macht. (Was dieses Pensionskassensystem ausserdem an Verwerfungen auf den Immobilienmärkten anrichtet, soll hier ausgeklammert bleiben).

Ein weiterer Aspekt ist, dass all diese Entwicklungen von den Zentral- und Notenbanken mitbefeuert wurden und werden mit einer beispiellos massiven Geldmengenexpansion, wobei dieses Geld direkt in die Wirtschaftssphäre fliesst (Bankensystem, Grosskonzerne etc.), aufgrund von behaupteter «Systemrelevanz» des Finanzsystems, und entgegen allen wirtschaftsliberalen Vorbehalten gegen einen solchen Missbrauch von und durch Zentralbanken. Es versteht sich von selbst, dass eine Gleichbehandlung sozialpolitischer Anliegen (bsp. AHV) durch die Schweizerische Nationalbank von den erwähnten Profiteuren vehement abgelehnt wird.

Es sind jetzt die Vertreter und Profiteure dieses monströsen Systems, die dem Stimmbürger mittels einer Millionenkampagne weissmachen wollen, dass kein Geld für eine 13. AHV-Rente vorhanden sei, und entsprechend an seine finanzpolitische Verantwortung und Vernunft appellieren, die Vorlage abzulehnen. Dies ist unglaubwürdig.

Der klare Verfassungsauftrag der Existenzsicherung und die hier angeführten Zusammenhänge sprechen eindeutige für ein Ja für eine 13. AHV-Rente!

Die Initiative für eine Erhöhung des Rentenalters wird mit der steigenden Lebenserwartung begründet. Die Steigung scheint nach verschiedenen Angaben (u.a. Bundesamt für Statistik) jedoch abzuflachen, weswegen die weitere Entwicklung der Lebenserwartung vorerst beobachtet werden sollte, bevor sichere Schlüsse gezogen werden können.

Deshalb werden zwei weitere Aspekte für die Beurteilung dieser Initiative wichtig:

Erstens haben die oben aufgeführten Entwicklungen in der Finanzbranche dazu geführt, dass gemäss Zahlen des Bundesamtes für Statistik (BfS) die Beschäftigten des Bankensektors im Schnitt mit 62.8 Jahren in Pension gehen können, und nicht einmal die Hälfte bis zum 65. Jahr arbeitet. Ausgerechnet dieses asoziale Segment kann sich also eine Frühpension infolge der erwähnten Umverteilung von arm zu reich leisten…

Zweitens ist es so, dass die erwähnten Kreise als Arbeitgeber den Beweis bis heute schuldig bleiben, älteren Beschäftigten gleiche Chancen und Bedingungen einzuräumen, wie jungen Bewerbern und Arbeitnehmern, was eine elementare Voraussetzung für eine Erhöhung des Rentenalters ist. So titeln verschiedene Tageszeitungen in den letzten Wochen vom «Mythos Fachkräftemangel», und lassen ältere, frustrierte Arbeitslose zu Wort kommen, die über die unwürdige, demütigende Stellensuche und Bewerbungsverfahren in diesem Alter berichten. Während die Arbeitgeber öffentlich einen «Fachkräftemangel» vorschieben, der aufgrund der Personenfreizügigkeit mit der EU gar keiner ist. In der Kommentarspalte eines des erwähnten Zeitungsartikels ist folgender Beitrag eines älteren Arbeitslosen zu lesen: 

Nach ca. 600 Bewerbungen in meinem Beruf, kann ich ein Lied singen. Da das RAV nach einer gewissen Zeit erwartet, dass man sich auch in anderen Berufsgattungen bewirbt, kenne ich auch diese. Ich habe mich bereits als Kellneraushilfe, bei Starbucks, bei Mac Donalds, als Unterstützer beim Scannen in der Uni, als Taxifahrer, als Kassier, als Auto- und Velokurier, als Telefonverkäufer, als Wachmann, als Servicekraft, als Zeitungszusteller, Postaushilfe und als Securitymann beworben. Überall das gleiche Lied: Es hat den/die bessere Bewerber/in gegeben, selbst wenn es Working Poor-Stellen sind. Ich fragte beim Arbeitgeberverband nach, wieso es überhaupt Arbeitslose gibt, wenn in diesem Land eine Vollbeschäftigung möglich wäre. Die Antwort, die Arbeitnehmer sollen sich um ihren Job fürchten müssen, denn sonst werden sie zu unproduktiv. Der Arbeitsmarkt reguliert sich halt selbst. Ausserdem seien die Gewerkschaften schuld. Als ich die höchste RAV-Vorsteherin fragte, wich sie auch aus. Den/Die Arbeitgeber/in kann man hier nicht tadeln, denn er/sie wäre ja schön blöd, wenn er /sie nicht DEN BESTEN/ DIE BESTE nehmen würde. Nach kategorischem Imperativ müssten wir Bewerbenden uns das eigentlich nicht gefallen lassen. Denn wenn es eine eierlegende Wollmilchsau gibt, wird diese eingestellt. Wenn wir Bewerbenden kein Rückgrat haben und im Bewerbungsprozess alle keine Ecken und Kanten zeigen, sondern schön kuschen, wird sich nie etwas ändern.

Mittels Täuschungen wird also sowohl die volle Personenfreizügigkeit wie auch die Erhöhung des Pensionsalters gefordert. Fazit: Während die Arbeitgeber gerne aus dem Vollen schöpfen, wollen sie die Arbeitnehmer in Existenzangst halten und auf dem Arbeitsmarkt herumhetzen können.

Zwei Aspekte also, die gerade heute ein Nein zur Initiative für eine Erhöhung des Rentenalters fordern!

Béla Szoradi